Leif Segerstam ist tot…
Ich erhielt die Nachricht und war erschüttert. Ein Wort, welches heute durch die Journaille entwertet ist, aber es traf zu.
Ich verdanke Segerstam eine der drei wirklich prägenden Begegnungen mit Musik, die mein Leben verändert haben.
Zwei davon verdanke ich Ilse Friedrich, der Mutter meiner ersten treulosen Freundin Claudia. Ihr Haus im Titzenweg war voll mit klassischen Schallplatten, einer waffenscheinpflichten Hi-Fi Anlage. Dual. Kennwood. Bose.
Ab und zu, wenn Claudia nicht wie erwartet von der Schule heimkam, saß ich bei Ilse Friedrich, die ihre Zigarette schon brennen hatte und mich mit heiteren Anweisungen wie „Hinsetzen. Schnauze halten. Zuhören“ in die Welt der klassischen Musik einführte.
Die allererste Begegnung mit klassischer Livemusik verdanke ich Ilse Friedrich. Ihr war Mahler zu modern und so erhielt ich eine Karte aus ihrem Abonnement für die Berliner Philharmoniker, Gennadij Roshdestwenski und Mahlers Dritter Sinfonie. Norma Procter als Sängerin. Ich war überwältigt und zu Tränen gerührt.
Die zweite Begegnung mit klassischer Musik war Leif Segerstam. Ein unglaublich schöner, schlanker Mann dirigierte „Patria“, eine Eigenkomposition, die mich sehr berührte. Ich war in diesem Konzert mit meinem Lebensfreund Thomas Peiler, der sich mit 24 Jahren das Leben nahm.
„Patria“ polarisierte, freundlich ausgedrückt. Das Publikum verließ die Sitzreihen… Ich ging am nächsten Tag los, um bei Bote & Bock, damals dem besten Schallplattenladen der Welt, eine Einspielung dieses Werkes zu kaufen. Gab es auch. Bei BIS aus Schweden publiziert.
Der Rest des Konzerts war dann konventionell, ich erinnere mich nicht mehr genau, wahrscheinlich Beethovens „Pastorale“ oder ähnlicher Mainstream.
Ich habe Segerstam dann für mehrere Jahre aus dem Blick verloren. Irgendwann merkte ich, daß wir beide immer fetter wurden, wobei ich ihm immer unterlegen war. Seine Arbeit wurde immer extremer, seine Projekte immer extraordinairer. Darin wurden wir uns immer ähnlicher.
Der Unterschied:
Segerstam hatte die Kraft, all seine Projekte zu verwirklichen.
Die hatte ich nie.
Ich bin sehr dankbar für die Begegnung mit ihm. Und höre seine unendlich vielen Aufnahmen.
RIP Leif.
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