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Mein erster Retreat war zum Jahresende 2022, der zweite in den ersten fünf Wochen des Jahres 2024, der dritte beginnt am 13. Mai 2024.

Ich habe bereits am ersten Tag ein paar schöne Erfahrungen gemacht:

1. Man kann sich leicht aus Versehen selbst töten, was an sich nicht schlimm ist, sieht man sich den Zustand der Menschheit an: je weniger Menschen es gibt, desto besser ergeht es der Schöpfung. Ich habe heute Farbchemie angesetzt und wollte dabei ein Glas Leitungswasser trinken, welches ich auch wohltemperiert auf den Tisch stellte.

Beinahe hätte ich aber Bleichfixierer getrunken, ganz aus Versehen. Ich weiß jetzt, weshalb man auch von "Verblichenen" spricht. Und ich weiß jetzt, wie es kommt, daß manche Angehörigen und die Polizei so völlig ratlos vor dem Tode eines lieben Menschen oder eines alten weißen Mannes stehen. Schwups, war er bleichfixiert und davon. Aber warum? Aber weshalb?

2. Cinestill-Temperiergeräte halten nicht lange. Mein erstes gab nach 120 Filmen den Geist auf und piepste nur noch hysterisch, statt zu temperieren. Das zweite hat nicht mal den Ansatz des ersten Satzes Chemie überstanden, erzeugte einen Kurzschluß und fiel mit Totalschaden aus. Überhaupt scheint die Firma Cinestill ein Faible für Besonderheiten zu haben. Von den insgesamt ca 50 Labor-Kits waren 4 nicht vollständig, also unbrauchbar. Reklamation wurde anstandslos erledigt, blockierte aber meine Arbeit über Wochen.

3. Ich hab jetzt also die Wahl, in meinem Heidewohnsitz gar nichts zu tun, und tatenlos zuzusehen, wie die Landschaft durch Windkraftwahn zerstört wird, oder aber zu versuchen, die Temperatur händisch zu halten, was bei 39,1 Grad Celsius ziemlich mißlingen dürfte. Ich könnte lange abgelaufene und seit 10 Jahren nicht entwickelte lomographische Arbeiten damit verarbeiten und mein Geheimnis darüber bewahren, wie die grotesken Farben entstanden sind.

Aus einem Brief an meine Freundin Ursula Ense:

Ich hab eine kreative Idee, wie ich das Ärgernis mit dem Cine-Stilgerät positiv nutzen kann. Lomographie sagt Dir ja sicher ein bißchen was? Plastikprimitivkameras mit seltsamen Filmen.
Ich hab einige Filme davon die seit 2014 nicht entwickelt wurden, ich wollte die jetzt entwickeln, was massive schräge Farbverschiebungen geben dürfte, weil die Filme abgelaufen sind und dann mit nicht völlig exakter Temperatur entwickelt werden. Ich schaffe eine keine 39,3 Grad +- 1/10 Grad für 10 Minuten. Die Ergebnisse dürften überraschend sein, sind absolut nicht reproduzierbar und kaum jemand wird ahnen wie sie entstanden sind. Es ist ja im Grunde auch nicht-lomographisch, seltsam-abgelaufene Filme zu nutzen und dann industrielle exakte Entwicklungsverfahren zu nutzen. Ich hab mir überlegt daß ich die lomographische Willkür damit auf eine neue Stufe heben kann :-)

Lomographische Kameras - abgelaufene Filme, die auch nach ihrer Belichtung noch viele Jahre lang nicht entwickelt werden. Willkür bei der Filmentwicklung. Das nenne ich konsequente Lomographie. Erst recht, wenn sie nicht mit schäbigen Plaste-Kameras, sondern mit Klassikern gemacht wird. Gerne aus Rußland oder der Ukraine.


13.Mai 2024: Wir müssen leider bekannt geben, daß ein Kodak BW 400 CN 135 auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung an einem Temperaturproblem verstorben ist, vgl. Klimawandel. Er speicherte das Diana Mini Tagebuch der Galerie für Kulturkommunikation vom September 2016. Dieses wird nun leider nie mehr das Licht der Welt erblicken